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HERALDIK - Heraldisch-Genealogische Gesellschaft ADLER

Wappenbüros in Österreich

Zeitschrift ADLER 15. (XXIX.) Band, Heft 1, Jänner/März 1989, zweiter Teil. Nachdruck aus: Mitteilungen des Österr. Staatsarchives, Band 40.

    Zusammenfassung des Textes "Wappenbüros in Österreich" Hanns Jäger-Sunstenau:

    Der Beitrag analysiert die Entstehung, Praxis und Problematik privater Wappenverleihungen in Österreich vom 18. bis ins 20. Jahrhundert. Ausgehend von der europäischen Wappentradition des 12. Jahrhunderts beschreibt Jäger-Sunstenau zunächst die Entwicklung vom Adelssignet zur kaiserlich kontrollierten Wappenvergabe im Heiligen Römischen Reich. Ab dem 15. Jahrhundert wurde zwischen Adelswappen und bürgerlichen Wappen unterschieden, wobei Letztere ebenfalls – wenn auch informell – verbreitet waren. Mit dem Bedeutungsverlust der einfachen Wappenbriefe nach dem Dreißigjährigen Krieg trat die Adelserhebung in den Vordergrund. Die Ausstellung von Wappenbriefen blieb einzelnen Hofpfalzgrafen vorbehalten, verlor aber durch die zentralisierte Verwaltung unter Maria Theresia an Gültigkeit.

    Im 18. Jahrhundert entstanden sogenannte „Wappenbüros“ – kommerzielle Einrichtungen, die gegen Bezahlung Wappen, erfundene Stammbäume und genealogische Erzählungen an bürgerliche Familien verkauften. Diese Institute arbeiteten auf gewerblicher Basis ohne rechtliche Legitimation. Der erste bedeutende Betreiber war Ignacio Bonacina in Mailand ab 1715. In Österreich wurde Joseph Stein ab dem späten 18. Jahrhundert zum führenden Akteur. Er kombinierte Wappenabbildungen mit „Chroniken“, symbolischen Deutungen, Phantasieangaben zur Herkunft und Quellenverweisen wie „Europäische Wappensammlung“, die es in dieser Form nie gab. Stein und seine Nachfolger – darunter Krahl, Günther, Schwartz, Spängler und Hermann – fälschten genealogische Daten, verwendeten Adelswappen für bürgerliche Familien und schufen auch künstlerisch uneinheitliche Produkte.

    Behördlich war diese Praxis nur begrenzt regulierbar. Einzelne Anzeigen wegen Fälschung (z. B. gegen Wappenstein 1843 oder Günther und Hermann um 1905) führten kaum zu Konsequenzen. Erst das Adelsaufhebungsgesetz von 1919 und seine Vollzugsanweisung verboten die Führung „fälschlich bürgerlich genannter“ Wappen. Doch auch dies konnte den Fortbestand der Wappenbüros nicht aufhalten. Die Regierung vertrat lange die Ansicht, Wappenführung sei ein Adelsprivileg. Franz Gall kritisierte diese Sichtweise und betonte das naturrechtliche Gewohnheitsrecht der bürgerlichen Wappenführung. Juristisch wurde klargestellt, dass der private Gebrauch eines Wappens nicht verboten sei, wohl aber seine Verwendung gegenüber Behörden.

    Die Wappenbüros operierten mit wiederkehrenden Mustern: Es wurden Namensträger im „Siebmacher“ gesucht und deren Wappen einfach übernommen – oft ohne verwandtschaftliche Beziehung. Texte enthielten erfundene Rittertaten, biblische Symbolik, imaginäre Vorfahren bis ins Römische Reich oder Mittelalter und meist gefälschte Quellenangaben. Beispiele wie das Schiller-Wappen oder das Wappen der Freiherrn Ebner von Eschenbach belegen diese Praxis.

    Künstlerisch reichte das Spektrum von dilettantisch bis hochwertig. Die Darstellung war oft seitenverkehrt, die Blasonierung (Fachbeschreibung) mangelhaft. Namhafte Wappenbüros wie das von Ernst Krahl versuchten später, wissenschaftliche Standards einzuführen. Dennoch zeugen viele Produkte von Unkenntnis oder bewusster Irreführung. Auch in der NS-Zeit wurden diese Wappen neu genutzt, etwa zur Stützung von „Ariernachweisen“. Der Autor verweist auf zahlreiche Exemplare, die bis heute in Familienbesitz oder Archiven kursieren.

    Besondere Aufmerksamkeit widmet Jäger-Sunstenau dem Wiener Wappenbüro Joseph Steins und dessen Nachfolger Karl und Ernst Krahl. Trotz gewisser Bemühungen um Seriosität sind auch von ihnen fragwürdige Wappen überliefert. Weitere Akteure wie Gartenschmid, Kunze, Beydaels und diverse anonyme Zeichner werden namentlich aufgeführt.

    Die abschließende Bewertung ist differenziert: Trotz zweifelhafter Herkunft können solche Wappen als Ausdruck familiärer Identifikation gelten – sofern ihre Herkunft kritisch reflektiert, eine Unterscheidung zu legitimen Wappen sichtbar gemacht und kein Adelsanspruch daraus abgeleitet wird. Als Bestandteil des „österreichischen Kulturmosaiks“ haben auch sie historischen Wert – als Dokumente bürgerlicher Repräsentationssehnsucht, aber auch als Zeugnisse von Illusion und Geschichtskonstruktion.

    WAPPENBÜROS IN ÖSTERREICH

    Von Hanns Jäger-Sunstenau

    I. Einleitung

    II. Wappenverleihung und Wappenannahme

    III. Das Wappen als Adelszeichen

    IV. Wappenfabriken

    V. Geltungsdrang und Geschäftssinn

    VI. Die Protagonisten

    VII. Das Wappen als ureigenes, persönliches Zeichen einer Familie

    VIII. Beispiele

     

    I. Einleitung

    Die Heraldisch-Genealogische Gesellschaft ADLER erhält seit vielen Jahrzehnten regelmäßig Anfragen zu Familienwappen, die oftmals mit angeblichen „Chroniken“ versehen sind. Dabei wird häufig um Einsicht in die dort zitierten Quellen gebeten, um genealogische Ergänzungen zu erlangen. In vielen Fällen handelt es sich jedoch um Fälschungen. Entsprechende Hinweise werden teils zur Kenntnis genommen, teils mit Skepsis oder Unverständnis quittiert.

    Insbesondere in Österreich, den Nachfolgestaaten der Habsburgermonarchie sowie in Deutschland sind noch zahlreiche dieser sogenannten „Wappenbriefe“ erhalten, meist in Privatbesitz, teilweise aber auch in Archivsammlungen. Diese Dokumente erfreuten sich vor allem im bürgerlichen Milieu großer Beliebtheit, da sie den Anschein adeliger Herkunft vermitteln sollten und dem sozialen Prestige der Familie dienten. Bereits vor fünfzig Jahren wurde zutreffend festgestellt, dass das Vorhandensein eines Familienwappens keineswegs automatisch auf adelige Abstammung hinweist.

    Der Archivar Rudolf Geyer (1891–1958), späterer Direktor des Wiener Stadt- und Landesarchivs, widmete sich dieser Thematik intensiv und trug eine Vielzahl von Wappenblättern und -beschreibungen zusammen – sowohl Originale als auch Fotokopien. Der Verfasser dieser Ausführungen konnte diesen Bestand durch eigene jahrzehntelange Recherchen nahezu verdoppeln. Dieses umfassende Material bildet nun die Grundlage für die nachfolgenden Darstellungen.

    II. Wappenverleihung und Wappenannahme

    Die eigenmächtige Gestaltung neuer Wappen durch Siegelstecher führte im Laufe der Zeit dazu, dass auch Wappenbestandteile, die ursprünglich dem Adel vorbehalten waren – insbesondere Helme und Kronen –, in bürgerlichen Wappen Verwendung fanden. Bereits ein kaiserliches Patent vom 1. März 1631 versuchte, dieser Praxis entgegenzuwirken, indem es Helm und Krone als Adelsattribute definierte. Diese Regelung wurde in weiteren Erlässen, insbesondere im Hofdekret vom 19. Jänner 1765, erneut bekräftigt.

    Trotz dieser Verbote führten viele Bürger weiterhin Wappen mit adelsgleichen Attributen. Ein Bericht des Wappenzensors Philipp von Bolza aus dem Jahr 1813 dokumentiert zahlreiche Verstöße, etwa durch bemalte Mietkutschen mit Wappen samt Fürstenmantel. Zwar schlug Bolza strengere Sanktionen vor, äußerte aber zugleich Verständnis für die wirtschaftliche Lage von Wappenmalern und Siegelstechern, denen keine rechtliche Prüfung der Vorlagen abverlangt werden könne.

    Die Hofkanzlei erinnerte 1827 und erneut 1832 und 1833 an die bestehenden Verbote. Auch wenn Bürgern das Führen von Wappen mit Helm oder Krone untersagt blieb, wurde zugleich festgehalten, dass die Herstellung und der Verkauf von Wappen – sofern diese auf Bestellung oder im Ermessen des Ausführenden erfolgten – nicht grundsätzlich untersagt werden könne. Allerdings wurde die vorsätzliche Mitwirkung an einer „Wappenanmaßung“ als strafbar erklärt.

    Versuche, bürgerlichen Familien durch eine Neuauflage kaiserlicher Wappenbriefe eine rechtlich einwandfreie Wappenführung zu ermöglichen, scheiterten. Zwar kam es gelegentlich zu Anzeigen gegen Wappenmaler wegen erfundener Familienwappen, doch behördliche Maßnahmen blieben bis ins frühe 20. Jahrhundert weitgehend aus. Erst 1905/06 kam es zu gerichtlichen Verfahren wegen Betrugs.

    Den endgültigen Einschnitt brachte die Vollzugsanweisung vom 18. April 1919 im Gefolge des Adelsaufhebungsgesetzes vom 3. April desselben Jahres. Darin wurde die Führung „fälschlich bürgerlich genannter Wappen“ untersagt. Die Republik Österreich stellte damit – wenn auch unter neuem Vorzeichen – die wappenrechtliche Sonderstellung des Adels fest. Der Ausdruck „bürgerliches Wappen“ wurde als irreführend betrachtet, da solche Wappen historisch als adelsgleiche Auszeichnungen verstanden worden seien.

    Der Historiker Franz Gall kritisierte diese Haltung scharf als Übernahme einer überkommenen Rechtsauffassung, die bürgerliche Wappenführung grundsätzlich in Frage stellte. Bereits zuvor hatten Juristen festgestellt, dass die Verordnung von 1919 lediglich die Verwendung von Wappen in amtlichen Eingaben untersagt, nicht aber deren privaten Gebrauch generell verbietet.

    IV. Wappenfabriken

    Im 18. Jahrhundert entstand in den österreichischen Erblanden ein neuartiges Gewerbe: private Institute, später als „Wappenbüros“ oder „Wappenkontore“ bezeichnet, begannen mit dem gewerbsmäßigen Verkauf von Wappen an interessierte Privatpersonen. Anders als die kaiserlich autorisierten Hofpfalzgrafen agierten diese Anbieter auf rein privater, gewerberechtlicher Basis.

    Als Begründer dieses Geschäftszweigs gilt Ignacio Bonacina, der ab 1715 in Mailand tätig war. Sein Institut bestand unter dem Namen Villardi bis in die Gegenwart fort. Ab etwa 1780 wurden seine Erzeugnisse über Agenten im gesamten Gebiet der Monarchie verbreitet. In Wien trat bald Joseph Stein als neuer Hauptakteur hervor, der durch die Kombination von bildlicher Wappendarstellung mit frei erfundenen, symbolisch überhöhten Familienchroniken eine neue Verkaufsstrategie einführte. Dabei stützte er sich angeblich auf den „Alten Siebmacher“, interpretierte jedoch die dortige Heraldik eigenmächtig und oft willkürlich.

    Stein wies Wappen aus dem Siebmacher wahllos Personen mit ähnlichen Namen zu, ohne genealogischen Nachweis einer familiären Verbindung zu den ursprünglichen Wappenträgern. Diese Praxis stellte eine nicht legitime Aneignung (Usurpierung) dar. Zusätzlich erfand er biografische Angaben zu angeblichen Stammvätern und illustrierte deren vermeintliche Verdienste, um die Glaubwürdigkeit seiner Produkte zu untermauern. Häufig verwies er auf die fiktive „Europäische Wappensammlung“, deren Existenz jedoch nie nachgewiesen wurde.

    Mehrfach führten diese unseriösen Angaben zu Nachfragen bei heraldischen Gesellschaften und Behörden, etwa durch den Geheimen Rechnungs-Revisor Werwach (1897) oder das k. u. k. Konsulat in St. Gallen (1901), die sich nach der Existenz der genannten Sammlung erkundigten – erfolglos.

    Ähnliche Missstände traten auch im übrigen deutschen Sprachraum auf. In Deutschland war besonders Max „von“ Asten aktiv, dessen Werke ebenso wie Bonacinas „Mayländisches Wappenbuch“ von weiteren Wappenfabrikanten als angebliche Quellen zitiert wurden. In Böhmen vertrieb Eduard Seyfert seine Produkte erfolgreich, wie u. a. elf Familien in Pilsen belegen.

    Hermann Hermann gilt als letzter namentlich bekannter Wappenproduzent in Österreich. Trotz einer Verurteilung wegen Betrugs im Jahr 1905 setzte er seine Tätigkeit fort. Die Heraldisch-Genealogische Gesellschaft „Adler“ wies 1937 ausdrücklich auf die Unglaubwürdigkeit solcher Wappenerzeugnisse hin. Dennoch besteht dieses fragwürdige Gewerbe bis heute weiter; einzelne Anbieter verkaufen weiterhin genealogisch unbelegte Wappen samt frei erfundener Angaben zur Herkunft.

    V. Geltungsdrang und Geschäftssinn

    Die gestalterische Qualität der Produkte sogenannter Wappenbüros war – entgegen pauschaler Abwertung – keineswegs durchgängig mangelhaft. Von einzelnen Zeichnern wie Krahl, Günther und Hermann sind durchaus heraldisch ansprechende Arbeiten bekannt. Dennoch traten stilistische Schwächen auf, etwa fehlerhafte Schildausrichtungen oder seitenverkehrte Darstellungen infolge missverstandener heraldischer Courtoisie.

    Besonders problematisch war die mangelnde Sorgfalt bei der Blasonierung – also der fachgerechten Beschreibung der Wappen – sowie bei den angegebenen Quellen. Häufig genannte, jedoch fiktive oder irreführende Bezeichnungen wie „Europäische Wappensammlung“, „Fürst Wappenbuch“ oder „Ex Biblioth. Viena“ sollten Seriosität vortäuschen. In vielen Fällen waren Herkunftsangaben genealogisch unhaltbar; etliche Familien wurden willkürlich mit fremden, teils adeligen Wappen ausgestattet.

    Die eindeutige Zuweisung eines Wappens zu einem bestimmten Wappenbüro ist oft nicht möglich, da stilistische Merkmale, Schriftbild oder Quellenangaben uneinheitlich sind – möglicherweise infolge wandernder Maler innerhalb der Wappenfabriken. Besonders häufig kam es zu unzulässiger Aneignung adeliger Wappen durch bürgerliche Familien, ohne dass eine genealogische Verbindung bestand, wie zahlreiche Beispiele belegen.

    Vereinzelt wurden Wappen, die ursprünglich aus Betrieben wie jenen von Bonacina oder Stein stammten, später offiziell übernommen – etwa durch Aufnahme in die Deutsche Wappenrolle oder in Adelsdiplome. Auch kam es vor, dass einzelne Familien durch unterschiedliche Wappenbüros mehrfach und mit voneinander abweichenden Wappen ausgestattet wurden.

    Die Produkte Joseph Steins fanden nicht nur Eingang in genealogische Kompilationen, sondern auch in die Romanliteratur des 19. Jahrhunderts. Auch Hausierer trugen zur Verbreitung solcher Wappen bei, indem sie diese mitsamt fiktiven Familiengeschichten verkauften.

    Im wissenschaftlichen Schrifttum wurde das Phänomen der Wappenfabriken, Fälschungen und des Wappenschwindels wiederholt aufgearbeitet, u. a. durch Eduard Heydenreich und Jürgen Arndt. Umfassende bibliographische Nachweise finden sich im einschlägigen Sachregister.

    VI. Wappenbüros und ihre Protagonisten

    Institut Bonacina (Mailand)
    Ignacio Bonacina gründete 1715 mit offizieller Genehmigung ein privates heraldisches Institut in Mailand. Unter seinem Großneffen Antonio entwickelte sich daraus ein weit verbreitetes Unternehmen, das Wappen auf vorgedruckten Schablonen verkaufte und ein umfangreiches Archiv („Archivio Bonacina“) führte. Die Familie Vallardi führte die Tätigkeit bis in das 20. Jahrhundert weiter. Die oft bezweifelte Existenz des „Mailänder Wappenbuchs“ ist damit belegt.

    Gebhard Joseph Gartenschmid (1773–1847)
    Arbeitete in Wien in der „Heraldischen Kammer“ unter Charles-Jean Beydaels. Bekannt ist er für Wappenblätter mit den Familiennamen Brabbee, Glaß und Metlitzky. Seine Werke enthielten fiktive Genealogien und ungesicherte Quellenangaben („Europäische Wappensammlung“).

    Joseph Stein und die Familie Krahl
    Joseph Stein (1784–1843) gründete ab ca. 1812 ein heraldisches Institut in Wien. Er kombinierte Wappenbilder mit erfundenen Chroniken und Quellen, wurde 1826 Hofwappenmaler. Nach seinem Tod führte seine Witwe das Institut weiter, später übernahm ihr zweiter Ehemann Karl Gustav Krahl, gefolgt von dessen Sohn Ernst Krahl. Das Institut erlangte hohes Ansehen, war aber in den frühen Jahren ebenfalls an fragwürdigen Wappenzuweisungen beteiligt.

    Wappenstein (Familie aus Krakau/Wien)
    Ascher Wappenstein (1780–1852) begründete das Institut als Graveur. Sein Sohn Nathan wurde 1843 wegen gefälschter Wappen angezeigt. Dessen Sohn Max führte das Unternehmen mit großem werblichen Aufwand weiter, betrieb daneben ein Kaffeehaus. Der übertriebene Anspruch auf universale Wappensammlungen diente vor allem dem Verkauf. Nach Max’ Tod 1890 wurde das Institut nicht weitergeführt.

    Eugen Ferdinand Schwartz (1817–nach 1856)
    Ab 1846 in Wien tätig, nutzte lithographierte Vorlagen mit dekorativem Aufbau. Er schuf Wappenblätter mit teils frei erfundenen Herkunftsangaben und führte das nicht existente Werk „Europäische Wappensammlung“ an.

    Thaddäus Mikoda und Johann Hautzendorffer
    Beide lieferten einfache, teils laienhafte Wappenblätter. Mikoda kopierte z. B. das Wappen der Familie Aldenberg. Hautzendorffer in Graz reproduzierte ein Wappen aus dem Siebmacher für die Familie Jann.

    Thaddäus Spängler (tätig 1887–1901)
    In Wien und Umgebung aktiv, mit typischer Blattform (abgerundete Ecken) und langatmigen Texten. Verwendete wechselnde Quellenangaben, darunter „k. k. Archiv“ und „Europäische Wappensammlung“. Auch tschechische Blätter wurden angefertigt.

    Raimund Günther (1866–nach 1906)
    Salzburger Wappenmaler mit stark expandierendem Geschäft. Beschäftigte Agenten, versandte Prospekte und übernahm Generalvertretungen. Wurde 1906 in einem großen Betrugsprozess angeklagt, jedoch freigesprochen. Zog sich danach weitgehend zurück.

    Hermann Hermann (1874–1952)
    Wiener Wappenmaler und Schüler Günthers. 1905 wegen Betrugs verurteilt, führte die Tätigkeit dennoch fort. War zeichnerisch begabt und zugleich familienkundlich interessiert. Behörden betrachteten seine Wappenerzeugnisse als ohne Beweiskraft.

    Franz Kunze (Prag)
    Nur wenige Werke bekannt, darunter eine fiktive Genealogie der Grafen Bielke und ein kopiertes Stammer-Wappen. Verweis auf nicht existierende Quellen wie Bonacinas „Europäische Wappenkunde“.

    Anonyme Produzenten
    Einige Wappenblätter unbekannter Herkunft (z. B. FREYBOTT, RÜHL) zeigen gestalterische Eigenheiten und Stempel wie „EX BIBLIOTH. VIENA.“, ohne dass eine Zuordnung zu bekannten Wappenbüros möglich ist.

    Die genannten Institute und Einzelpersonen stehen exemplarisch für das spannungsreiche Phänomen privater Wappenproduktion zwischen künstlerischem Anspruch, wirtschaftlichem Kalkül und heraldischer Fragwürdigkeit. Viele von ihnen bedienten ein bürgerliches Bedürfnis nach Herkunft und Statussymbolen, ohne genealogische Fundierung.

    VII. Das Wappen als ureigenes, persönliches Zeichen einer Familie

    Das Wappenwesen von Staat, Ländern, Gemeinden, Korporationen und Familien ist als historisch gewachsener Bestandteil des österreichischen Kulturerbes zu betrachten. Auch die Erzeugnisse privater Wappenfabrikanten des 18. und 19. Jahrhunderts – trotz ihres oft fragwürdigen Ursprungs – gehören als Ausdruck bürgerlicher Identitätsstiftung dazu. Aufgrund ihres Alters und ihrer festen Verankerung im Familiengedächtnis genießen viele dieser Wappen bis heute einen besonderen Stellenwert.

    Unter Berücksichtigung heraldischer Grundsätze können solche Wappen weiterhin als Familiensymbole anerkannt werden – insbesondere dann, wenn sie durch Beizeichen oder Farbänderungen eindeutig von gleichlautenden älteren Wappen unterschieden werden. Zugleich sollte allen Wappenführenden bewusst sein, dass die Herkunft ihres Wappens nicht aus einer weit zurückliegenden, erfundenen Familiengeschichte stammt, sondern aus der tatsächlichen Übernahme im 18. oder 19. Jahrhundert. Dennoch – sofern eine klare Unterscheidbarkeit gegeben ist – erscheint es legitim, dass heutige Nachkommen ihr überliefertes Wappen mit Stolz weiterführen.

    VIII. Beispiele

    Die aufgeführten Beispiele dokumentieren den stark erfundenen, symbolisch überhöhten und genealogisch unbelegten Charakter zahlreicher Wappen- und Chroniktexte aus der Produktion privater Wappenbüros im 18. und 19. Jahrhundert. Charakteristisch ist die häufige Berufung auf nicht überprüfbare oder fiktive Quellen wie die „Europäische Wappensammlung“, das „k. k. Archiv in Wien“ oder Bonacinas „wahre alte Bücher“. Stilistisch zeichnen sich die Texte durch barocke Sprache, moralisierende Sinnzuschreibungen und ahistorische Angaben aus.

    Wesentliche Merkmale dieser Texte sind:

    • Frei erfundene Herkünfte (z. B. aus Jerusalemzügen, erfundenen Städten oder angeblichen alten Adelslinien),
    • willkürliche Symboldeutungen (Farben, Tiere, Objekte als Allegorien von Tugend, Ruhm oder Standeserhebung),
    • fiktive Datierungen und Adelsverleihungen, oft unter Bezugnahme auf reale Herrscher oder historische Ereignisse ohne Beleg,
    • großzügige Zuschreibung von Standeszeichen (Helme, Kronen, Medaillen, Turnierattribute) zur Erhöhung des Wertes des Wappens,
    • Vermischung von realen heraldischen Elementen mit phantastischen Narrativen.

    Die Texte zeigen deutlich, wie durch pathetische Sprache, heraldische Halbwahrheiten und vermeintlich historische Fundstellen eine Aura von Legitimität erzeugt wurde – oft im Interesse der Käufer, die ein Wappen als Symbol für Prestige und Herkunft wünschten, ungeachtet historischer oder genealogischer Korrektheit.

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